Liebe Atomkraftgegner*innen, liebe Energiewender*innen,
Wie ist der aktuelle Stand Energiewende und wie muss es rasch weitergehen?
Die erneuerbare Stromerzeugung hat in diesem Jahr einen neuen Rekordwert erreicht. Nach den Zahlen des statistischen Bundesamtes haben wir jetzt 61% erneuerbaren Strom!
Davon beträgt der Anteil Wind ein Drittel, die Photovoltaik liegt bei 14% mit der Tendenz weiter ansteigend. Allerdings gibt es immer noch 20% Kohlestrom und die politische hick-hack-Diskussion zum Ausstieg spätestens 2035 ist in vollem Gange. Der Gesundheits- und Klimaschutz tritt immer mehr in den Hintergrund.
Vor 20 Jahren ist die erneuerbare Stromerzeugung durchgestartet. Und von 2010 bis 2017 gab es jährlich einen ansteigenden Zubau an neuen Windrädern und Photovoltaikanlagen. Dies als dezentrale Energiewende mit vielen Akteuren „von unten“. In Bürgerhand, mit Genossenschaften, GBRs, Solarvereinen auch Stadtwerken und seit neustem mit der Industrie. So haben wir inzwischen 29.000 Windräder an Land und insgesamt 4,4 Millionen Photovoltaik-Anlagen die umweltfreundlich und preisgünstig Strom erzeugen. Und mit Stand August 24 schon 700.000 Balkonkraftwerke am Start.
Ausbremsregelungen 2017
Diese vorwiegend dezentrale Energiewende ist viele Jahre lang ohne die bisherigen Konzerne realisiert worden. Ihnen gehörten nur 6% der erneuerbaren Anlagen. Im Jahr 2015 sind diese dann „aufgewacht“ und haben politisch interveniert. Erfolgreich, dann im Jahr 2017 traten dann massive Ausbremsregelungen zur weiteren Energiewende in Kraft. Es wurde ein Ausschreibungszwang über die Bundesnetzagentur für jedes Windrad, jeden Windpark und große PV-Anlagen eingeführt. Gleichzeitig in mehreren Schritten die Einspeisevergütungen gesenkt und angekündigt dies zukünftig kurzfristig weiter zu tun. So wurde politisch die „Energiewende von unten“ ausgebremst und eine Verunsicherung geschaffen, wie es weiter geht.
Denn zum Bau neuer Anlagen ist eine planbare Sicherheit über Vergütungen für 20 – 25 Jahre notwendig.
Die Folge war, dass der Zubau Wind an Land seit 2017 massiv eingebrochen, in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg (6 neue Windräder 2024)und Bayern (4 neue Windräder 2024) so gut wie zum Stillstand kam. Dies gilt bis heute, die Zielvorgaben wurden in keinem Jahr mehr erreicht.
Gerade die Photovoltaik war von 2012 – 2017 mit jährlich neuen Zubau-Rekorden von 5 – 8.000 Megawatt stark gewachsen. Die Ausbremsregelungen führten auch hier zum Kahlschlag. Erst seit 2022 beginnt die PV wieder nennenswert zu wachsen.
Rekord-PV Zubau in 2024
Von Januar bis August wurden insgesamt 730.000 neue Anlagen installiert, dies ist der größte Zubau mit 10.000 Megawatt seit 2017. Die 4,4 Millionen PV-Anlagen haben eine Leistung von 93.000 Megawatt.
Das Zubau-Ziel von 10.000 MW 2024 ist also bereits vorab erreicht worden. Jedoch sollen jedoch ab 2026-2030 jährlich neu 26.000 Megawatt zugebaut werden. Was nach jetzigem Stand nicht erreicht wird, da die Frage der Einspeisevergütung schon wieder ein Hemmschuh ist.
Wind Zubau 2024
Seit 2017 werden die jährlichen Zubau-Ziele bundesweit nicht mehr erreicht. Auch in 2024 liegen wir weit unter den erforderlichen 10.000 Megawatt. Es sind im 1. Halbjahr bundesweit 290 Windräder neu ans Netz mit 1.300 MV Leistung.
Da die Windräder nach 20 Jahren aus der Förderung fallen und dann entweder eine Direktvermarktung oder die sog. Marktprämie stattfinden muss, werden viele WR abgebaut. Denn vor allem die Marktprämie sichert den Weiterbetrieb für kleine oder wenige Windräder nicht ab. So sind in 2024 bereits 277 WR abgebaut worden. Mit einer kostendeckenden Mindestvergütung könnten diese noch jahrelang weiter laufen!
Deshalb gab es in 2024 nur einen Nettozubau bei Wind von 980 Megawatt.
Die Zubau-Ziele bis 2030 und Folgejahre werden aus heutiger Sicht ganz sicher nicht erreicht werden.
Der bürokratische Ausschreibungszwang für jedes Windrad, die Unsicherheit bei den Einspeisevergütungen und immer noch das Problem, dass zu wenig geeignete Flächen ausgewiesen sind, verhindern ein Durchstarten.
Offshore-Pläne Wind und die Konzerne
Die Ampel-Regierung hat in den letzten Jahren den Ausbau Wind im Meer favorisiert. Dabei bedeutet offshore einen gigantischen Aufwand an Technik und Milliarden-Invest. Führt weiter zu zentralen Erzeugungsstrukturen, langen aufwendigen Transportwegen und behält zentrale Verteilstrukturen bei.
Ist also das genau Gegenteil einer dezentralen, erneuerbaren Energiewende. Die bei Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch vorwiegend lokal mit überregionaler Verzweigung ausgerichtet ist.
Derzeit gibt es 9.000 Megawatt offshore. Dies soll bis 2035 auf 40.000 Megawatt und bis 2045 sogar auf 70.000 Megawatt ansteigen.
Die Bundesnetzagentur hat für offshore 2023 neue Ausschreibungsregeln eingeführt. Nicht mehr eine Anzahl von Windrädern und die notwendige Fläche, sondern jetzt gibt es nur Flächenausschreibungen.
Wer hat in 2023 die größten Flächen ersteigert und gekauft?
Die ausgeschriebenen 4 großen Flächen, die fast der Hälfte der aktuell verfügbaren offshore Flächen in der Nord- und Ostsee entsprechen haben der französische Total und der britische BP-Konzern für 12.6 Milliarden Euro gekauft!
Sie könnten dort Windräder für 7.000 Megawatt errichten. Aber alle Fachleute bezweifeln, selbst wenn sie das täten, dass sie jemals den Kaufpreis refinanzieren könnten. Dies ist ein typisches Greenwashing-Projekt von Konzernen um Marktmacht bei Erneuerbaren – auch gegen sie - aufbauen zu können!
Die offshore-Politik in der Nordsee ist inzwischen gepaart mit Utopien zur Wasserstoff-Erzeugung. Diese soll in Deutschland mit bis zu 40 Milliarden Euro gefördert werden. Stellt eine neue Form der zentralen Energieerzeugung dar und ist wegen den vielen Umwandlungsverlusten ineffektiv. Erfordert zur Erzeugung von 1 kwh Wasserstoff jeweils 9 Liter Wasser. Die Pläne von Deutschland, Frankreich, England und skandinavischen Ländern würden bedeuten, dass die Nordsee bis 2045 ein Industriepark mit künstlichen Inseln werden soll.
Dies lehnen wir ab! Wir fordern die rasche weitere dezentrale und umweltfreundliche Energiewende mit Wind an Land und Photovoltaik als Standbeine. Keine neuen oder alten ineffektiven und teuren Großstrukturen, sondern die direkte Anwendung der Erneuerbaren bei Strom, Wärme und Verkehr.
Rasche weitere dezentrale Energiewende – wie möglich?
Dies haben Verbände wie Bundesverband Windenergie, Organisationen wie der Solarverein in Aachen und zahlreiche Wissenschaftler wie Quaschning schon lange dargestellt. Die Umstellung auf 100% Erneuerbare ist möglich, wenn alle bürokratischen Ausbremsregelungen abgeschafft werden.
Als Größenordnung geben sie die machbaren Zubau-Ziele an:
Bei Wind Land von jetzt 55 GW auf 270 GW bis 2035, weiter auf 550 GW.
Bei PV von 70 GW auf 400 GW bis 2035, perspektiv möglich sind 1000 GW.
Auf allen geeigneten Dachflächen nicht nur Süd, auch Ost-West. Auf öffentlichen Gebäuden ein Sofortprogramm mit PV und Solarthermie, auf allen Flächen wie zum Beispiel Parkplätzen, Lärmschutzwänden usw. Und auch auf Freiflächen, die für eine andere Nutzung nicht geeignet sind, oder sowohl Landwirtschaft wie PV möglich ist.
Ziel muss es sein Quartierslösungen für Strom und Wärme zu schaffen, auch für Speicher - nicht individuelle Einzellösungen. Vor allem auch Energieaustausch „ Energy-Sharing“ zu realisieren (Bürger teilen Energie + Kostenvorteile). Es darf keine Ausbremsregelungen mehr beim Erzeugen, speichern und der Weitergabe von Strom und Wärme mehr geben!
Wichtige Akteure sind alle aktiven Bürger, vor allem auch Genossenschaften, Bürgerenergieparks, GBRs, Solarvereine und die Kommunen mit ihren Stadtwerken. Natürlich auch die Industrie selbst, indem sie Windräder baut und PV und Solarthermie installiert, Wärmerückgewinnung macht.
Weg mit Fossilen und Atom – weitere dezentrale und regenerative Energiewende jetzt!